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Der virtuelle Wald
Dirk Jaeger, Forstexperte an der Universität Göttingen, schildert im Exklusivinterview mit dem Internationalen Holzmarkt auf der Forsttagung 2018 in Eisenstadt die zentralen Vorteile der Digitalisierung des Waldes.
Forst 4.0 und die Digitalisierung der Wälder ist derzeit in aller Munde. Tatsächlich haben digitale Hilfsmittel jedoch schon vor einiger Zeit Einzug in die Forstarbeit gefunden. Was ist nun so neu?
Es stimmt schon, dass dies einen Prozess beschreibt, der bereits vor Jahren eingesetzt hat. Raumbezogene Daten digital erfassen und auswerten können wir ja schon länger. Das erleichtert uns auch die Bewirtschaftung unserer Wälder. Nun aber werden zum einen die Informationen immer genauer – bei Fernerkundungsdaten und Laserbefliegungen bekommen wir teilweise Modelle mit 100 Punkten pro Quadratmeter über die komplette Beschaffenheit unseres Kronendachs – und zum anderen können wir all diese Tools nun verknüpft zum Einsatz bringen. Somit gelangen wir letztlich zu einem Cyber Physical System, also einem Abbild der Realität im virtuellen Raum.
Wie profitieren wir von diesem Abbild des Waldes?
Früher haben wir Einzelprozesse digitalisiert. Heute können wir all unsere Prozesse digital steuern und sogar unsere gesamte Wertschöpfungskette simulieren. Durch Sensoren an den eingesetzten Motorsägen weiß ich zum Beispiel per Mausklick, wie lange meine Waldarbeiter im Holzeinschlag sind. Ich weiß, in welchen Drehzahlbereichen die Säge gelaufen ist, ich kann auf den Zustand der Kette schließen, wie sicher jeder Mann arbeitet und ob einer Training braucht. Also: Der Arbeiter profitiert in puncto Sicherheit, die Durchlaufzeiten werden verkürzt, Material und Maschinen werden geschont und insgesamt also meine Effizienz gesteigert. Auch die Ressource selbst wird effizienter genutzt – das Holz, das ich einbringe, kann ich schnell entsprechend der individuellen Kundenwünsche in die Wertschöpfungskette einbringen.
Es wird auch heute oft vom multifunktionalen Wald gesprochen – auch im Hinblick auf den Klimawandel und die vielen Funktionen, die ein Wald in der Gesellschaft innehat. Wie können IT und Digitalisierung in diesem Punkt helfen?
Zum Beispiel indem wir Hilfsmittel an die Hand bekommen, wo wir schnell risikorelevante Daten analysieren können, wie zum Beispiel Fichtenbestände auf Trockenstandorten mit hohem Käferbefallsrisiko oder das Befahrungsrisiko von Waldböden. Wir kommen viel schneller zu unseren gewünschten Informationen. Und das besondere ist, dass wir diese Daten auch noch simulieren können. Heute kann man mit Wuchsmodellen eine Bestandsentwicklung nach Holzernteeingriffen auf Jahre hinaus vorhersagen und erkennen, wo vielleicht in einem Schutzwald angepasste Maßnahmen durchgeführt werden müssen.
Unsere Forstberufe virtualisieren sich zusehends – viele sagen, es entwickelt sich damit eine Entfremdung der Forstberufe vom Forst selbst. Schon heute müssen Förster tatsächlich viel weniger in den Wald als früher und betrachten die Wälder an elektronischen Geräten und in virtuellen Modellen. Ist diese Entwicklung nicht auch kritisch zu sehen?
Natürlich dürfen wir eine kritische Sicht auf die Digitalisierung des Waldes nicht verlieren; aber wir bekommen ja auch zahlreiche Hilfsmittel damit an die Hand. Wir wollen alle zwei bis drei Prozent mehr Lohn jedes Jahr und müssen uns fast täglich mit unserem Rohstoff gegen andere Materialien und Märkte behaupten. Wir brauchen also immer noch höhere und effizientere Wertschöpfung. Da hilft nur eins: Effizienzsteigerung. Digitale Hilfsmittel sind ein Weg, um genau das zu erreichen: die Effizienz zu steigern, unsere Qualität zu verbessern und die Ressourcenausnutzung zu optimieren. Die Fachkompetenz des Försters und der Waldarbeiter werden wir weiterhin benötigen – das steht außer Frage. Vielleicht sogar mehr denn je. Nicht nur das Know-how, sondern das Know-why – die kritische Auseinandersetzung mit den Daten, die wir einzusetzen haben – wird in Zukunft entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens in jedweder Branche sein. Aber wir müssen gerade im traditionellen Forstsektor sicher auch auf ein angemessenes Maß im Hinblick auf Digitalisierung achten.
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Prof. Dr. Dirk Jaeger
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